Hallihallo, ich bin zurück aus dem Sommerurlaub - Ihr auch?
Meiner war supertoll - Eurer auch?
Wunderbar.
Nun sitze ich also seit Montag wieder an meinem Schreibtisch in meinem neuen Büro (ich bin Anfang August in ein anderes Büro gezogen, aus verschiedenen Gründen, das erzähle ich Euch ein anderes Mal), und in meinen Arbeitspausen überlege ich manchmal, was ich nun wo an welche Wand hängen soll. (Ich liiiiiiebe Zimmer dekorieren!) Eine Wand wurde schon mit verschiedenen schwarz-weißen Tuschezeichnungen von verschiedenen Künstlern geschmückt (logisch) - aber die Wand gegenüber möchte ich eher bunt gestalten. Vermutlich wird es ein wilder Mix aus verschiedenen Postkarten und Bildern werden, mal sehen. Und dann braucht es nur noch einen Platz für: die Werke meiner Nichten.
Ich habe drei Nichten (die großartigsten Nichten der Welt, selbstverständlich), und sie alle hatten oder haben eine Phase, in der sie selbstgezeichnete Bilder verschenk(t)en. Meist einfach so, ganz ohne Anlass, manchmal aber auch zum Geburtstag oder Weihnachten. Glücklicherweise gehöre ich zu dem Personenkreis, die immer wieder mal zu den Beschenkten gehören. Denn ich muss sagen, jedes einzelne dieser Bilder ist wirklich ein beeindruckendes Werk.
Und zwar an: Kreativität.
Wahnsinn, oder?
Einige dieser erstaunlichen Werke habe ich aufgehoben und immer wieder in verschiedenen Arbeitszimmern oder an verscheidenen Arbeitsplätzen aufgehängt. Denn sie zeigen mir, wie man eigentlich kreativ sein sollte, nämlich: so wild wie möglich.
Leider geht das ja mit der Zeit verloren. Und zwar in der Schule. Oder eher wegen der Schule. Euch ist sicherlich auch schon aufgefallen, dass Kinder in der Kindergartenzeit unglaublich wild, bunt und kreativ malen - und dann, ganz schleichend, geht ihnen diese Kreativität in der Grundschulzeit verloren. Plötzlich wollen sie “richtig” zeichnen, am liebsten schon von der ersten Sekunde an so perfekt wie, keine Ahnung, Albrecht Dürer, oder in ihrem Fall wohl eher wie irgendeine berühmte Mangaka, auf jeden Fall stöhnen sie bei jedem Bild, das sie malen, darüber, dass es “voll blöd aussieht” und sie das “einfach nicht können”, und so weiter und so fort. (Willkommen in der Leistungsdruck-Gesellschaft. Hrmpf.)
Tja, so läuft das eben. Zwar versuche ich, zumindest meinen Nichten zu erklären, dass Kreativität tausendmal toller ist als Perfektion, aber es bringt ehrlich gesagt relativ wenig. Aufgeben werde ich trotzdem nicht; vielleicht finden sie ja nach - oder während? - der Pubertät ihre “wilde” Seite wieder.
Ich aber habe nach den langen, langen Jahren, in denen mir die Kreativität abtrainiert und der Wunsch nach Perfektion antrainiert wurde immer noch große Schwierigkeiten, das zweitere aus- und das erstere komplett anzuschalten. Sobald ich einen Stift in die Hand nehme, will ich etwas “Schönes” malen. Das nervt. Ehrlich.
Deshalb also hängen die Best-Of-Werke meiner Nichten in meinem Arbeitszimmer. Um mich daran zu erinnern, wie es mal war mit der Kreativität, und wie es eingentlich wieder sein sollte.
PJ Harvey hat diese Überlegungen einmal in kluge Worte gefasst:
“I think children are also the most brilliant artists, don’t you? There’s nothing more perfect than a child’s drawings. In order to create work, I often have to try and reach back to that open-mindedness, I suppose, and the naïveté that children have. Things pour out of them in such a natural way. I keep trying to get closer to that.”
“Ich glaube, Kinder sind auch die brilliantesten Künstler, oder? Es gibt nichts Perfekteres als die Zeichnung eines Kindes. Um ein Werk zu schaffen, versuche ich oft, mich auf diese Offenheit, vermutlich, und die Naivität, die Kinder noch haben, zurückzubesinnen. Alles strömt ganz einfach aus ihnen heraus. Ich versuche immer wieder, so zu sein.”
Vielleicht sollte ich einfach mal eine Art Tagebuch beginnen, das eine Mischung aus Notizbuch und Skizzenblock ist, und in dem ich so viel herumschmieren kann, wie ich will. Manche Leute sind darin ja richtig zuverlässig und diszipliniert, Austin Kleon etwa, das bewundere ich wirklich. Wobei - wenn man es danach der Öffentlichkeit zeigen kann, ist es dann vielleicht doch nicht so “wild” befüllt worden? Oder erschaffen manche Leute einfach immer etwas wunderschön-künstlerisches, egal, was sie tun? Wäre möglich.
Manche haben auch einfach so ein spektakuläres Leben, dass schon allein die kleinen Dinge, die sie ganz nebenbei notieren, für die Nachwelt wirklich beeindruckend ist. Mal Evans zum Beispiel.
Mal Evans war der Road Manager der Beatles, und er schrieb an jenem Tag:
“Up at 8:30am, arriving at 9:45am. Ringo first at 10:15 with the others arriving just after eleven.
Policeman gets quite excited at a few people, and Ian missed the picture.
George Ferrari and I go to Regents Park Zoo and meditate in the sun. To Krishna temple for lunch and studio for 3pm. Yoko, John and Ringo went to Paul + Linda’s for lunch. It was very nice.”
Very nice.
Ja, das glaube ich.