Mußestunde

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Mußestunde No. 19
ninapraun.substack.com

Mußestunde No. 19

Wilde Weihnachten.

Nina Praun
Dec 23, 2021
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Morgen ist also Weihnachten.

Das finden die einen schönen, die anderen nicht so. Ich bin jedes Jahr wieder hin- und hergerissen zwischen Freude und Stress. Aber das diskutieren wir ein anderes Mal.

Heute geht es dagegen darum, wie man die Weihnachtstage und die Zeit zwischen den Jahren so verbringen kann - wenn man denn Zeit dafür und Lust darauf hat, klar. (Im Übrigen ist der folgende Text auch eine Anleitung für supercoole Last-Minute-Weihnachtsgeschenke, fällt mir gerade auf. Aber dies nur nebenbei.)

Nämlich: Wild!

Damit meine ich keineswegs die Alkoholeskapaden, die vermutlich auf einige von uns zukommen werden. (Denn, mal ehrlich, wenn man mit der Familie zusammen trinkt, hat das meistens wenig von wilden Feier-Eskapaden, sondern eher was von dem verzweifelten Versuch, innerlich etwas egaler zu werden und so die größten Diskussionen zu umschiffen. Wobei diese Strategie nicht immer zum Erfolg führt, wie wir leider alle wissen.)

Nein, es geht heute um Maleskapaden.

Ich habe diesen Herbst einen Tusche-Kurs bei der Vhs gemacht (hört sich wahnsinnig spießig an, war aber wirklich nett); Tusche, weil das mein Lieblings-Material ist (sagt man da Material?), und Kurs, weil ich mir erwartet habe, was Neues zu lernen. Und siehe da: Ich habe so viel Neues gelernt!

Zum Beispiel, wie man ganz einfach ziemlich wilde und ziemlich coole Gemälde hin bekommt. Das haben wir in unserer letzten Stunde gemacht. Ich war vorher etwas skeptisch gewesen, aber nachher restlos begeistert.

Nun ist es so, dass ich meistens, wenn ich denn zeichne, ein Motiv zeichne. Ganz brav, eine Teetasse oder eine Landschaft oder eine Szenerie oder einen Tannenbaum… Ihr versteht schon. Noch nie habe ich gegenstandlos gezeichnet. Oder gar “gemalt”. (Gemalt in Anführungszeichen, weil diese Technik sehr wenig mit der Art von Malen zu tun hat, die man bei dem Begriff spontan vor Augen hat.)

Es wäre für mich also vermutlich schwierig geworden, mich dazu zu überwinden, einfach so gegenstandslos Striche oder Tupfer auf das (schöne weiße) Papier zu bringen - wenn das unsere Aufgabe gewesen wäre. War es aber nicht. (Die Kursleiterin ist ganz schön gewieft, was?) Unsere Aufgabe war es, “Naturpinsel” auszuprobieren. “Naturpinsel” ist alles, was eigentlich kein Pinsel ist, aber trotzdem (ein wenig) Farbe aufnimmt. Also: Schwämme, Äste, Bürsten, Schnüre, Netze, Pfeifenreiniger, Watte, Folie, Moos…. Was auch immer. Diese “Pinsel” tunkt man in Tusche (man kann aber sicher auch Tinte oder Wasserfarbe oder sonstwas nehmen, eigentlich alles, was in einer kleinen Untertasse schwimmen kann) und tupft oder streift oder malt oder kreiselt oder wischt damit auf dem weißen Papier herum.

Das sieht dann so aus wie auf den Papieren, die rechts im Bild liegen:

Schaut wild aus - und schaut doof aus. Stimmt. Doch in der Mitte des Fotos seht ihr schon, was dabei entstehen kann: kleine abstrakte “Gemälde”.

Die entstehen im zweiten Schritt. Dann nämlich - wenn die Papiere getrocknet sind - nimmt man zwei Winkel (einfach je zwei feste Papierstreifen im rechten Winkel zusammenkleben), legt sie auf die Papiere, und sucht so nach einem Ausschnitt, der gut aussieht. Das Unglaubliche daran ist: Man findet unendlich viele Ausschnitte, die wahnsinnig gut aussehen!
Es heißt also, Entscheidungsfreude beweisen, einen Ausschnittt nach Gefühl aussuchen, und dann mit einem Cutter ausschneiden. (Oder mit einer Schere, geht ja genauso.)

Dann kann man die Werke noch in einen Passepartout stecken und rahmen. Und schon sehen sie echt gut aus. Hier zwei meiner Lieblinge:

(Ich habe sie nur schnell fürs Foto in einen Rahmen gesteckt, und das sieht man auch, sorry. Aber ihr könnt Euch ja die perfekte Rahmung einfach vorstellen.)

Das allein sieht schon cool aus, oder? Wir haben im Kurs dann noch ein Lieblingswerk ausgesucht und es verschönert. Einige haben etwas hinein gemalt, das sah auch super aus - ich aber habe ein Gedicht von Rainer Maria Rilke hineingeschrieben.

Das kann man leider schlecht erkennen auf dem Foto, merke ich gerade. Hier ist es also eingescannt:

“Es treibt der Wind im Winterwalde
die Flockenherde wie ein Hirt
und manche Tanne ahnt, wie balde
sie fromm und lichterheilig wird,
und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
streckt sie die Zweige hin – bereit,
und wehrt dem Wind und wächst entgegen
der einen Nacht der Herrlichkeit.”

Nun, das war also mein “Werk” aus der letzten Kursstunde. Ich mag es richtig gern. Vielleicht verschenke ich es zu Weihnachten. Vielleich behalte ich es auch.

Auf jeden Fall kann ich solch wilde Maleskapaden nur empfehlen. Mir hat es so viel Spaß gemacht, erst wild rumwischen und tupfen - und dann im Chaos das Schöne finden. Ein erhebendes Gefühl.

Im Chaos das Schöne finden.

Vielleicht wäre das auch ein wunderbares Mantra für die Weihnachtsfeiertage?


Wer von euch so gar nichts mit wilder Malerei anfangen kann, für den habe ich noch eine andere Empfehlung für die freie Zeit: Schaut euch die Beatles-Doku “Get Back” an!

Ach, das hatte ich in der letzten Mußestunde schon gesagt? Nun, das kann man nicht oft genug wiederholen. (Hi hi.)

Und jetzt: Frohe Weihnachten!

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