Mußestunde No. 26
Über die Wertschätzung - und zwar die der Kunst.
Wertschätzung ist ja derzeit ein sehr “trendiger” Begriff (wenn man das so schreiben darf, ohne dabei wie eine kopfschüttelnde Rentnerin zu klingen). Und das ist blöd, weil dadurch viele Menschen vermutlich schon genervt sind, wenn sie ihn auch nur hinter irgendeiner Ecke hervorlugen sehen. Denn eigentlich ist alles, was dieser Begriff umschreibt, meines Erachtens wirklich: gut.
“Wertschätzen” bedeutet weder zu viel loben noch zu wenig, weder darüber hinweg schauen noch sich zu sehr darauf fokussieren, sondern im richtigen Maß wissen, was man gut und wichtig findet.
Wertschätzung ist für den zwischenmenschlichen Bereich extrem wichtig, klar. Da ich aber keine Psychologin, sondern Künstlerin bin, geht es hier und heute nicht um unsere Beziehungen zu den vertrauten Menschen in unserem Leben, sondern um unsere Beziehung zur Kunst - und den Künstlern.
Fangen wir damit an, wer eigentlich die wichtigen Künstler in unseren Leben sind. Vermutlich eher nicht van Gogh, Mozart oder Goethe. Deren großen Meisterwerke haben wir zwar alle schon mal betrachtet, gehört oder gelesen (wobei, Goethe vermutlich nur, wenn wir in der Schule dazu gezwungen wurden), aber auf unsere “normalen” Alltagsleben haben sie bei den meisten keinen Einfluss mehr.
Nein, die Künstler, die heute Einfluss auf uns persönlich haben, kann ich hier gar nicht mit Namen aufzählen - weil es für jeden von euch vermutlich andere sind. Ihr alle habt unterschiedliche Lieblingsmusiker, Lieblingsautoren, Lieblingsregisseure und -schauspieler, Lieblingskomiker und Lieblingsmaler, -fotografen, -illustratoren, -comiczeichner und so weiter. Bei mir heißen diese Menschen zum Beispiel: The Wood Brothers, Carole King, Ryan Bingham, Chimamanda Ngozi Adichie, Benedict Wells, El Hotzo, Robin Hobb, Ann Friedman, Austin Kleon, Adam J. Kurtz, Theron Humphrey, Wes Anderson (haha, ja, das wusstet ihr schon), Meera Lee Patel, Alison Friend, Claire Leach, Amanda Sandlin, Sarah Obtinalla - und viele, viele mehr.
Ohne all diese Menschen wäre mein Leben trist und grau. Und nein, ich übertreibe nicht, denn wenn es all diese Menschen nicht geben würde, wenn es ihre Musik, ihre Bücher, ihre Newsletter, ihre Konzerte, ihre Filme, ihre Videos, ihre Fotos und Bilder nicht geben würde, wie seltsam würde dann mein ganzes Leben ausgesehen? Denn all diese Künstler geben mir etwas, sie inspirieren mich irgendwie, sie erzeugen neue Gedanken und Gefühle in mir.
Denn so ist Kunst nun einmal. Wer mit Kunst in Berührung kommt, wer etwas hört, liest oder sieht, was ihn berührt oder zum Nachdenken oder Lachen oder Weinen oder wasauchimmer bringt, der wird verändert - manchmal ein kleines bisschen, manchmal aber auch ganz viel. Auf jeden Fall ist er danach: ein anderer Mensch. (Logisch, oder?)
Wie anstrengend wäre es denn, mich ständig nur mit mir selbst zu beschäftigen, nie Inspiration, Gedanken, Gefühle von außen dazu zu bekommen? (Und ja, die Menschen, mit denen man eng und live über das Leben und alles drumherum redet und philosophiert, sind natürlich noch wichtiger als die Kunst an sich, keine Frage. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.)
Sehr anstrengend wäre das.
Also: All diese Künstler, die mich mein ganzes Leben lang begleitet haben und begleiten sind sehr, sehr wichtig.
Nun kommen wir zu der Frage: Wie also gebe ich etwas von dem , was ich bekommen habe, zurück? Eben durch: Wertschätzung.
Früher war diese Wertschätzung ziemlich einfach: Man musste schließlich die Platte kaufen, wenn man sie hören wollte, man musste das Buch kaufen, wenn man es lesen wollte, man musste eine Kinokarte kaufen, wenn man den Film sehen wollte, und man musste irgendwo ein Poster oder Druck kaufen, wenn man etwas zu Hause an der Wand hängen haben wollte.
Und heute? Gibt es alles kostenlos im Internet.
Versteht mich nicht falsch. Ich mag das Internet. (Manchmal. Manchmal auch nicht.) Ich finde es auch heute noch faszinierend, was ich dort alles recherchieren, lesen, sehen, hören, finden kann. Aber ich erkenne, dass das Internet samt all den Großkonzernen, die es beherrschen, einen sehr großen Nachteil hat: Es nimmt Künstlern ihre Kunst weg - und damit ihre Lebensgrundlage. (Zweiter Nachteil: Es lebt von unseren Daten, überwacht uns und beutet uns alle aus, aber dies hier nur nebenbei.)
Denn ihre Musik, ihre Filme, ihre Bilder, ihre Videos, sie alle sind dort umsonst zu haben oder (relativ günstig) zu streamen, oder einfach zu konsumieren und zu teilen, zack, auch mal ohne Hinweis auf den Urheber.
Nun ist mir klar, dass das Internet auch neue Möglichkeiten für die Künstler geschaffen hat. All diese “kleinen” Künstlerinnen, denen ich auf Facebook und Instagram folge, hätte ich niemals gefunden, wenn es das Internet nicht gäbe.
Tja, aaaber: Das bringt ihnen alles nichts, all die Follower oder Likes, wenn sie sich davon nichts zu essen kaufen können!
Ein strikter Kapitalist, dem ihr vielleicht eines Abends gegenüber sitzt, wird dazu sagen: Na, das ist doch ihr Pech, da müssen sie sich eine klügere Strategie überlegen, da hätte schon ein paar neue Marketingideen, und dann können sie schon Geld verdienen - wenn sie denn überhaupt wollen.
Was dieser Klugheini leider nicht weiß, ist: Wir alle, jeder Künstler und jede Künstlerin, sitzen immer wieder zu Hause und überlegen uns, welche Strategien am besten funktionieren könnten, damit wir irgendwie irgendwo ein bisschen Geld verdienen können. (Denn, Achtung, Spoiler: Wir ALLE wollen Geld verdienen. Davon leben wir nämlich.)
Nur: Müssen halt die anderen auch ein wenig mithelfen.
(Dass das System an sich falsch ist und komplett verändert werden müsste, dazu sage ich jetzt nichts, denn dann wird der Kapitalist nur aggressiv. Darüber können wir dann ein ander Mal in diskreter Runde reden, bei einem Glas Rotwein und ein paar wirklich revolutionären Ideen.)
Was heißt das also - für uns alle?
Nun, ganz einfach: Gebt ein wenig Geld für Eure Künstler aus!
Jeder Künstler und jede Künstlerin hat irgendwo eine Seite, auf der etwas gekauft, bestellt oder gespendet werden kann. (Ja, echt.) Sie machen es einem wirklich, wirklich einfach, sie zu unterstützen. Wenn ich also einer Künstlerin schon etwas länger auf Instagram folge, schaue ich auf ihre Seite und bin kurz erstaunt, was sie alles anbietet: Etwa Originalbilder, günstige Drucke, einen Onlinekurs und eine Seite, auf der man kurz einen Kaffee spenden kann. (Daher hatte ich die Idee zu meiner Ko-Fi-Seite, und ich möchte hiermit noch einmal allen danken, die mir schon mal etwas in die Kaffeekasse geworden habt. Ihr seid großartig.)
Und dann? Gebe ich für sie Geld aus! Mal spende ich einen Kaffee, mal abonniere ich einen Bezahl-Newsletter, mal bestelle ich eine Karte oder einen Druck oder eine CD oder ein Buch, und einmal habe sogar schon ein Original-Kunstwerk ergattert. Ist doch unglaublich! Dieses Kunstwerk hängt nun bei mir zu Hause im Arbeitszimmer und ich bin jedes Mal glücklich, wenn ich es ansehe - denn ich weiß, ich habe damit innerhalb meiner Möglichkeiten eine wirklich tolle Künstlerin unterstützt. Nun bin ich wirklich überhaupt nicht reich - aber nie, nie, nie, hat es mich gereut, wenn ich Geld für Kunst ausgegeben habe.
Und wer gerade wirklich knapp bei Kasse ist, kann ja mit etwas Liebe Wertschätzung zeigen, mit einem wirklich netten Kommentar, einer E-Mail oder einer Bewertung. Glaubt mir, darüber freuen sich wirklich alle sehr! (Und insgesamt verstehen viele Künstler das Gerade-kein-Geld-haben recht gut.)
Also, to put it in a nutshell (habt ihr das in diesen dämlichen Englisch-Erörterungen auch immer am Schluss geschrieben?):
Was wären wir ohne Künstler?
Traurig.
Wie unterstützen wir unsere Künstler?
Mit Wertschätzung.
Wie sieht Wertschätzung in diesem Fall aus?
Wie Geld - oder Liebe.
Schön. Und nun geht hinaus in die Welt und verbreitet diese frohe Botschaft.
Was auch noch wichtig ist und wir wertschätzen sollten (neben unseren liebsten Menschen und unseren liebsten Künstlern) ist: die Natur. Jaha!
In ihrem Fall geht die Wertschätzung schon mit: Interesse zeigen. Denn nur das, was wir kennen, ist für uns auch schützenswert. (So sind wir nun mal, wir Menschen.)
Wer dieses Prinzip besonders gut verstanden hat ist ein Mensch namens Philipp Herrmann. Er ist als “der Vogelphilipp” im Internet unterwegs und begeistert dort die Menschen für: Vogelstimmen. Seit 2016 betreut er jedes Frühjahr die “Vogelstimmen-Hotline” des Bund Naturschutz. Das funktioniert so: Man speichert die Nummer der Hotline ins Handy ein: 01 60 / 44 2 44 50. Wenn man dann im Garten, auf dem Balkon oder im Park sitzt und einen ganz besonders bezaubernden (oder belämmerten) Vogelgesang hört, zieht man das Handy raus, geht auf Whatsapp, nimmt eine Sprachnachricht auf und schickt sie an die Vogelstimmen-Hotline. Auf der anderen Seite wird dann der Philipp sie abhören und zurückschreiben und erklären, welcher Vogel da gerade singt. (Nicht gleich in derselben Minute, mittlerweile hat er sehr viele Anfragen, aber er beantwortet jede einzelne, versprochen. Ich weiß das so genau, denn ich kenn ihn schon eine ganze Weile.)
Na, wie hört sich das an? Amselig? Kleiberig? Zilpzalpig?
Oder einfach nur: gut?
Ja, finde ich auch.
Ach, und ich habe hier noch einen Hinweis in eigener Sache: In jeder Mußestunde sind ein paar Wörter unterstrichen, und das bedeutet, dass ihr auf sie klicken könnt, und dann öffnet sich ein Link dazu. Jaha, voll praktisch! Für die eigene Weiter-Recherche, quasi. (Das schreibe ich nun, da mir ein treuer Leser neulich gesagt hat: Hu, das wusste ich ja gar nicht… Also: Jetzt wisst ihr es.)
Nun aber: Frohe Oster(ferie)n!
Create your profile
Only paid subscribers can comment on this post
Check your email
For your security, we need to re-authenticate you.
Click the link we sent to , or click here to sign in.