Mußestunde No. 31

Mit einer: Kurzgeschichte.

Ich bin nächste Woche nicht da. Ich bin im Urlaub. (Sowas, schon wieder, denkt ihr jetzt? Hm, ja, vielleicht. Hi hi.)

Nun wollte ich diese Woche also einfach noch eine Mußestunde verschicken, damit ihr vielleicht gar nichts davon mitbekommt, dass ich im Urlaub bin, wer merkt sich schon, in welcher Woche genau die Mußestunde eigentlich kommt? Dann aber habe ich mir gedacht: Äh, wozu der Stress? Du schreibst doch extra nur alle zwei Wochen eine Mußestunde, damit Du keinen Stress hast. Damit das Mußestunden-Schreiben entspannt bleibt.

Und so hatte ich eine Idee: Ich könnte etwas veröffentlichen, was ich schon längst geschrieben habe. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Kurzgeschichte zum Thema Arbeitsamt? Eine autobiografische Kurzgeschichte zum Thema Arbeitsamt, genauer gesagt.

Denn vielleicht, so dachte ich mir, ist der eine oder andere von euch auch im Urlaub, und vielleicht hat der eine oder andere also Zeit, eine Kurzgeschichte zu lesen. (Sie ist wirklich kurz.) Ihr müsst euch auch keine Sorgen wegen einer Dramatik oder so machen - diese Kurzgeschichte wird eure Laune nicht verderben. Wobei, das weiß ich eigentlich nciht so genau, denn wenn ihr sie kacke findet, könnte sie ja doch eure Laune verderben… Also, ich korrigiere: Sie ist nicht als Drama angelegt, eher als Komödie. Also nicht schwer, sondern leicht. (Oder so.)

Leider habe ich noch keine gute Überschrift für sie. Darin bin ich richtig schlecht, im Überschriftenmachen. Leider. (Ihr könnt gerne alle meine (Ex-)Kolleg*innen von der Zeitung fragen, die werden das sofort bestätigen.) Das ist wirklich schade, was wäre ich gerne so eine coole Sau, die mal eben an einem Schreibtisch vorbei geht, über den Artikel am Bildschirm drüberliest und dann ein „Eimer geht noch“ raushaut. (Das war die Überschrift eines echt guten Artikels in der Print-SZ über die Bild und den Ballermann. Kann ich nur empfehlen. Leider haben sie online die Überschrift geändert, wasweißichwarum. Onliner haben immer ihre eigenen Regeln. Das heißt aber nicht, dass es gute Regeln sind.)

Lirum, larum, Löffelstiel: Ich habe keine gute Überschrift für meine leichte, autobiografische Kurzgeschichte.

(In meiner Familie bedeutet „Lirum, larum, Löffelstiel“ in etwa „um den heißen Brei herum reden“, oder auch „lange Rede, kurzer Sinn“. Ich weiß nicht, warum. Kennt noch jemand diese Bedeutung? Im Internet habe ich nur diese etwas zweifelhafte Quelle dazu gefunden.)

Deshalb müsst ihr diese meine leichte, autobiografische Kurzgeschichte nun ohne Überschrift akzeptieren. Sorry.

Leider ist auch der Anfang etwas holprig. (Mache ich gerade meine eigene Geschichte schlecht? Tja, ich kann nicht anders. Argh.) Aber, ABER, ich verspreche Euch, dass sie nach dem Anfang ziemlich schnell Fahrt aufnimmt.

Also, Achtung: Es geht los.

Es ist Frühsommer 2017. Ich will etwas Großes tun. Ich will kündigen und mich selbstständig machen.

Dafür brauche ich, leider, einen Gründerzuschuss vom Arbeitsamt. Erzähle ich anderen Leuten davon, sagen sie: Das würde ich mir niemals antun. Etwas von einer Behörde wollen! Das ist das Schlimmste, was man sich vorstellen kann!

Nun: Das ist mir egal. Na gut, ganz egal nicht, natürlich habe ich etwas Angst davor. Aber ich muss das in Kauf nehmen. Denn ich will endlich frei sein – und damit ist ein Gründerzuschuss quasi alternativlos.

Gut, ich rufe also bei der Hotline der „Agentur für Arbeit“ an. Innerlich zittere ich. Es tutet. Was machen die wohl mit Menschen, die ihre Arbeit freiwillig kündigen? Eine feste Stelle? Wird so etwas bestraft? Es meldet sich eine junge, freundliche Stimme. Der Herr ist höflich und nett, ja, kein Problem, sagt er, er schaut mal, ob ich schon angelegt bin (wo?), also im Computersystem (ah so), siehe da, da bin ich (puh), dann aktiviert er mich mal (toll!). Ja, und wenn ich jetzt dann kündige? Das ist gar kein Problem, sagt der junge Mann, ich soll mich dann einfach nochmal melden.

Puh. Ich atme auf. Von wegen anstrengend, so ein Quatsch. Eine tolle Behörde ist das! Echte Unterstützung bekommt man da! Mit diesem Aufwind im Kreuz schreibe ich meine Kündigung, stelle dann fest, dass ich vielleicht schon zu spät dran bin für dieses Quartal, und verschicke sie also panisch in dreifacher Ausfertigung (wenn schon zu spät, dann wenigsten mit Nachdruck). Mal sehen, ob das noch akzeptiert wird.

Ich warte und warte und warte, und nach einer Woche kommt die Kündigungsbestätigung per Post. Ich bin glücklich. Ich rufe beim Arbeitsamt an, wieder eine junge Stimme, wieder freundlich. Aha, aha, gekündigt haben Sie, okay, das gebe ich ein, wann wurde die Kündigung losgeschickt? Vor einer Woche. Ach so, dann rufen Sie jetzt aber zu spät an, Sie werden dafür zehn Tage vom Arbeitslosengeld gesperrt. Was? Ich sollte danach anrufen, und das habe ich! Ich habe nur auf die Bestätigung gewartet, ich wusste doch noch gar nicht, ob die Kündigung rechtzeitig angekommen ist! Nein, da kann man nichts machen, tut mir leid, sagt der junge Mann, Sie müssen sich innerhalb von zwei Tagen melden, und zwar von dem Tag an, an dem Sie die Kündigung ausgesprochen haben. Habe ich gar nicht, sage ich, ich hab sie ausgeschrieben. Aber da bleibt er hart. Vielleicht entscheidet mein Leistungsbetreuer später anders, sagt er. Mir läuft es kalt den Rücken herunter. Mein Leistungsbetreuer? Der betreut meine Leistung? Wie soll das gehen? So, Frau Praun, jetzt üben wir mal: Stift in die Hand, und jetzt schreiben, schreiben, schreiben, das muss doch schneller gehen, zack, zack! Aber keine Panik, erst einmal muss ich zum Berater, erklärt der junge Mann am Telefon. Na, das hört sich doch schon etwas milder an. Ich bin im akademischen Kreis (aha), also bekomme ich eine akademische Beraterin, sagt er – oha, wie elitär. Sie wird sich melden.

Das tut sie auch, per Brief und Terminansage, ziemlich spontan: Montag, 8 Uhr. Nun ja, dann kann ich an diesem Tag wohl erst später in die Arbeit, schließlich bin ich noch drei Monate dort angestellt, daran scheint meine Beraterin nicht gedacht zu haben… Aber egal jetzt. Ich folge brav und stehe also an einem Montag, 7.30 Uhr vor dem hässlichsten Gebäude von ganz München: grau, eckig, karg. Grimmig. Hier wird wohl dem Bürger, der meint, dass er nicht mehr arbeiten muss, das Naserümpfen über diese Entscheidung auch optisch vor Augen geführt.

Ähnlich wie das Gebäude wirkt auch meine akademische Beraterin. Sie heißt Frau Thaler* und sieht kein bisschen so aus, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Beraterin, da sieht man eine Dame im Kostüm vor sich, freundlich, höflich, gepflegt. Oder? Nun: So sieht Frau Thaler nicht aus. Eher… zerknautscht. Verlebt. Oder, besser noch: vergilbt.

Nun, auch ich scheine nicht ihren Erwartungen zu entsprechen, denn als Erstes rümpft sie die Nase. Und zwar über meinen Lebenslauf, den ich einfach so in vorauseilendem Gehorsam geschrieben, ausgedruckt und mitgebracht habe. Dort steht mein Name, meine Adresse, dann der Begriff „Angestrebte Tätigkeit“ und dann: „Selbstständige Journalistin“. Frau Thaler seufzt. „Hier haben wir schon das erste Problem“, sagt sie. Das erste? „Was ist?“, frage ich vorsichtig. „Hier steht ,selbstständige Journalistin‘, in meinem Computer steht aber ,festangestellte Redakteurin‘“, seufzt Thaler. Ich stutze. Ich sage freundlich: „Das ist ja auch nur meine ,angestrebte Tätigkeit’, wie Sie hier sehen, angestellt bin ich ja derzeit noch als Redakteurin.“ Sie sagt: „Ah ja.“ Gut, die erste Hürde ist geschafft. Doch die nächste nähert sich schon: eine „verpasste“ Informationsveranstaltung. Verpasst? „Ja, die war letzte Woche“, sagt Frau Thaler, „da hätten Sie hingehen sollen.“ Aber… ich wusste doch gar nichts davon? Das ist für Frau Thaler offenbar irrelevant, sie kommt aus dem Seufzen gar nicht mehr heraus. „Die wäre genau das Richtige für Sie gewesen!“, schimpft sie. „Wann die das nächste Mal stattfindet, weiß ich nicht! Das kann erst im Herbst sein!“ Hm. Kaum sitze ich fünf Minuten hier, schon habe ich meine Beraterin schwer enttäuscht. Ich versuche, es wieder gut zu machen, in dem ich beteuere, dass ich sicherlich das nächste Mal daran teilnehmen werde.

Das lässt Frau Thaler mal so stehen. Denn nun geht es ans Eingemachte. Warum ich gekündigt habe? Und warum ich mich selbstständig machen will? Darauf bin ich vorbereitet, ich pariere elegant, erkläre ausführlich meine Beweggründe und hole mein Ass im Ärmel heraus: Ich habe mich auch schon ausführlich zur Selbstständigkeit beraten lassen, freiwillig. Selbstständig, quasi.

Das scheint sie etwas zu beeindrucken, denn nun will Frau Thaler mich „eruieren“. Das sieht so aus: Sie zeigt auf ihren Computermonitor, auf dem immer zwei Begriffe nebeneinander stehen. Etwa „strukturiert“ und „flexibel“. Dann soll ich ihr sagen, welchen Begriff sie ankreuzen soll. Ist ein bisschen wie bei einem Charakterquiz im Internet: Eigenständig oder teamorientiert? Konferenzschläfer oder -unterbrecher? Spülmaschineneinräumer oder Tasse-in-die-Spüle-Steller? Na, oder so ähnlich, bisschen altmodischer halt. Weiter geht es dann mit meinen „Kompetenzen“ à la 90er-Jahre-Lebenslauf: Frau Thaler kreuzt alle meine Fremdsprachen-, Computer- und Wordkenntnisse an; gibt es auch noch sonstige Fähigkeiten? Äh… nein.

Dann seufzt Frau Thaler wieder. „Den Lebenslauf können wir so aber nicht eingeben. Da sitze ich ja ewig dran. Das machen Sie dann von zu Hause aus.“ Kein Problem, Frau Thaler, sage ich sofort. Nun entspannt sie sich langsam. Ich bin wohl doch gar kein so großer Problemfall, sondern relativ: selbstständig. „Da hab ich ganz andere Pappenheimer“, sagt sie jedenfalls. War das jetzt ein Lob? Ich lächle vorsichtig. Nun erklärt mir Frau Thaler kurz, wie es weitergeht: Ich muss meinen Arbeitslosengeldantrag ausfüllen, dann wird mein Leistungsbetreuer über meinen Arbeitslosengeldantrag entscheiden, und wenn ich dann ein Anrecht auf das Arbeitslosengeld haben sollte, darf ich den Gründerzuschuss beantragen. Okay, gut, dann auf Wiedersehen, Frau Thaler. (Oder eher hoffentlich nicht.)

Einige Wochen und viele Formulare, Fragebögen, Zuweisungen, Anweisungen und schriftliche Befehle später sitze ich wieder in dem betongrauen Bau. Diesmal aber habe ich den wichtigsten Termin, den Termin aller Termine: Ich treffe meinen Leistungsbetreuer.

Wieder Punkt 8 Uhr werde von Herrn Maier* ins Büro gerufen. Er ist ein gemütlich wirkender älterer Herr, etwas rundlich, sagt recht bayerisch „Guten Morgen“. Wie nett. Er zeigt auf einen Stuhl an der Stirnseite seines Schreibtischs, ich setze mich hin, er nimmt auf seinem Stuhl vor dem Computer Platz. Ich versuche, ihm alle Formulare, Briefe und Lebensläufe, die ich vorbereitet habe, als gesammelte, eindrucksvolle Akte zu übergeben. Er nimmt die Papiere an sich, wühlt ein wenig darin herum, zieht etwas heraus und schaut in seinen Monitor. Er klickt auf seiner Maus herum. Er tippt etwas. Er schaut auf die Papiere, dann auf den Monitor.

Er sagt nichts.

Ich schaue auf den Tisch, auf sein Gesicht, auf seine Tastatur. Den Monitor kann ich leider nicht direkt sehen, er ist leicht von mir weggedreht. Ich betrachte meine Hände. Er klickt auf seiner Maus herum. Er tippt etwas. Er schaut auf die Papiere, dann auf den Monitor.

Er sagt nichts.

Ich lasse meinen Blick schweifen. Das Büro ist nicht sehr groß. Die Fenster aber sind groß, doch die Rollos sind ziemlich weit heruntergelassen, ich kann also keinen Ausblick genießen. An der Wand rechts hängt nichts. An der Wand links hängt eine Pinnwand, darauf hängt auch nichts. Die Wand sieht eigentlich ganz schön eklig aus, wenn man sie so näher betrachtet. Die Tapete ist an einigen Stellen eingerissen, die Farbe war vermutlich mal mausgrau, oder aschgrau, vielleicht auch steingrau? Jetzt ist sie jedenfalls gelbgrau. Ob die hier drin früher noch rauchen durften? Klar durften die das. Und klar hat mein Leistungsbetreuer früher hier drin geraucht, so sieht er jedenfalls, aus, als ob er gerne mal eine raucht und auch gerne mal ein Bier trinkt – wirklich, sehr gemütlich sieht er aus, fast sympathisch.

Nur redselig ist er halt nicht.

Wenn eine Uhr in dem Raum hängen würde, würde sie jetzt vermutlich unbarmherzig ticken. Nur hängt da keine Uhr, also höre ich weder ein erbarmungsloses Ticken, noch kann ich sehen, wie viele Minuten ich schon hier sitze. Eine Armbanduhr habe ich auch nicht dran. Mist. Wie lange könnte ich schon hier sein? Fünf Minuten? Zehn? Ich wage es nicht, auf die Uhr an meinem Handy zu schauen, schließlich wäre es unhöflich, einfach so das Handy aus der Tasche zu ziehen, während ich hier ja bereit sein soll. Für irgendwas. Zum Beispiel für den Fall, das mein Leistungsbetreuer mit mir sprechen will. Über meine Leistung vielleicht. Aber er scheint nicht die geringste Absicht zu haben, mich in sein Tippen, Klicken und Schauen mit einzubeziehen.

Ich blicke wieder auf meine Hände. Denn höflich ist das ja nicht, wenn man die ganze Zeit jemanden anstarrt, der einen so gar nicht ansieht. Herr Maier scheint eben recht fasziniert von seinem Monitor zu sein. Oder gelangweilt? Plötzlich überfällt mich eine leichte Panik. Vielleicht weiß dieser Leistungsbetreuer schon längst, dass er meine Leistung gar nicht betreuen will, ja sie gar nicht betreuen kann, weil sie viel zu erbärmlich ist! Vielleicht hat er schon in der ersten Minute beschlossen, dass ich eines Gründerzuschusses niemals würdig sein werde, ja dass er mich nicht nur für zehn Tage Arbeitslosengeld sperren will, sondern für Monate, Jahre, vielleicht für mein ganzes Leben! Womöglich will er mich aus dem ganzen System herausstreichen! Frau Praun, wird er sagen, Sie bekommen von uns gar nichts, denn ihre Leistung ist unwürdig, ja, Sie sind einer Leistung nicht würdig! Das wird er sagen, oder so was ähnliches, wahrscheinlich überlegt er nur noch, wie genau er mir das beibringen soll, schließlich scheint er ja an sich ein freundlicher Mensch zu sein. Mir wird übel. Warum ist denn hier nicht einmal das Fenster geöffnet? Pflanzen stehen auch keine herum… Ja, gibt es in diesem Zimmer gar nichts Freundliches, nichts Menschliches, nichts Beruhigendes?

Argh!!!

Ich versuche, mich selbst zu beruhigen. Ich sage mir: Nina, das macht gar nichts. Dann bekommst Du eben kein Arbeitslosengeld. Dann meldest Du Dich halt gleich selbstständig, und wenn Du am Anfang noch keine Aufträge hast, dann gehst Du halt wieder Kellnern. Irgendwie wirst Du Dich schon durchschlagen. Du brauchst kein Arbeitsamt, schon gar kein Arbeitsamt, das nicht mal Arbeitsamt heißt, sondern „Agentur für Arbeit“, so ein Quatsch, mit Beratern darin, die nicht beraten, und Betreuern, die nicht betreuen. Was ist das alles nur für ein großer Fake!

Herr Maier klickt.

Ich blicke wieder zu ihm. Er starrt in seinen Monitor. Ich überlege, ob ich was sagen soll. Ja, hätte ich vielleicht gleich zu Beginn was sagen sollen? Ist es nicht meine Aufgabe, dem Leistungsbetreuer zu zeigen, was für ein leistendes Wesen ich bin? Aber wie sagt man denn sowas… Eigentlich ist auch schon viel zu viel Zeit verstrichen. 20 Minuten? 30? Jetzt kannst Du eh nichts mehr sagen, sage ich mir. Jetzt ist das Thema schon durch. Du kannst nur warten.

Warten. Warten.

Ich versuche, mir vorzustellen, wie ein Arbeitstag eines Leistungsbetreuers aussieht. Geht das den ganzen Tag so? Er bittet einen Menschen nach dem anderen in sein Büro, und dann arbeitet er weiter, in Anwesenheit der Person? Vielleicht findet er das ganz nett, so in Begleitung zu arbeiten, ist ja auch einsam in so einem kleinen, kahlen, grauen Büro den ganzen Tag. Oder hat er schlicht und einfach vergessen, dass da jemand sitzt, dass ich hier sitze? Das kann ja jedem mal passieren. Kaum schaut man in den Monitor, schon verschwindet die reale Welt um einen herum – zack, ist man vom Internet verschluckt. Der wird doch nicht etwa Pornos…? Ne, also wirklich, so ein Quatsch, der ist doch nicht pervers oder so.

Ich seufze leise in mich hinein, ich will ja nicht unangenehm auffallen. Aber nun kribbelt es in mir. Ich muss mich bewegen. Ich rutsche auf meinem Sitz hin und her, ganz vorsichtig.

Da klaubt Herr Maier meine Unterlagen zusammen und überreicht sie mir. Ich nehme sie entgegen. „Danke“, sagt er. Ich starre ihn an. „Äh, was heißt das jetzt?“, frage ich dämlich, meine Stimme zittert dabei leicht. „Das passt alles“, sagt Herr Maier, man könnte sagen, dass dabei eventuell sogar ein zartes Lächeln über sein Gesicht gehuscht ist. „Das passt?“, frage ich. „Dann… Darf ich den Gründerzuschuss beantragen?“ – „Ja, natürlich“, sagt Herr Maier. Ich stehe auf. Ich sage „danke“. Dann „auf Wiedersehen“. Herr Maier nickt und blickt wieder in seinen Monitor. Auf wackligen Beinen verlasse ich das Zimmer.

Draußen im Gang hängt eine Uhr.

Sie tickt.

Es ist 8.51 Uhr.

(*Alle Namen wurden geändert. Außer mein eigener.)

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Das war also meine leichte, autobiografische Kurzgeschichte. (Ich schwöre, sie beruht auf wahren Begebenheiten.) Der eine oder die andere von euch kannte die Geschichte vielleicht schon, denn ich habe sie vor langer, langer Zeit mal auf meine Website gestellt. Allerdings ein bisschen versteckt, also hoffe ich, dass ihr sie noch nicht alle kanntet.

Für diese Mußestunde habe ich sie allerdings noch einmal überarbeitet. Nicht viel, nur ein bisschen. Aber so ist das, wenn man eigene Texte später noch einmal liest: Man findet immer etwas, was man nun anders, vielleicht besser, machen würde.

Das Original jedoch hatte auch eine ganz besondere Ehre erfahren: Es wurde vertont (ha, hört sich toll an, oder?), von Tanja Esche. Sie ist Sprecherin und Schauspielerin und hat in der Coronazeit einen Mitmach-Podcast veröffentlicht namens “Hörbar bunt & vielseitig - Sonntagsgeschichten”, einen Vorlese-Podcast, als das Vorlesen in der Realität kaum möglich war. Eine Folge davon ist meine Kurzgeschichte geworden. Wer sie also lieber hören möchte als lesen, oder sie auch noch hören möchte nach dem Lesen, oder wer wissen will, was ich nun genau verändert habe, der kann sie sich dort anhören. Und darüber staunen, was so eine professionelle Stimme mit einem solchen Text anstellt. (Ich zumindest habe damals sehr gestaunt.)

Einfach auf das Bild klicken:

Und nun: schönen Urlaub und bis bald!